Customer Centricity – kundenorientierte Unternehmenskulturen im E-Commerce

Einordnung von Customer Centricity

Jedem einzelnen Kunden steht im E-Commerce eine große Auswahl an Unternehmen und Kommunikationsformen gegenüber. Kunden können dadurch Produkte und Services vergleichen und verschiedene Kommunikationskanäle für ihre Zwecke nutzen. Diese Möglichkeiten fordern Unternehmen heraus ihren Mehrwert deutlich herauszustellen und eine Beziehung zu dem Kunden aufzubauen. Nicht umsonst wird von der Entwicklung vom Transaktionsmarketing zum Beziehungsmarketing gesprochen, dessen Ergebnis das Customer Relationship Management darstellt.

Im Customer Relationship Management soll eine Beziehung zu dem Kunden aufgebaut werden, indem alle Marketing-Aktivitäten auf den Kunden ausgerichtet werden. Grundlage dessen stellt eine abteilungsübergreifende Datensammlung und -nutzung dar.

Customer Centricity geht jedoch weiter und wird als ganzheitliches Unternehmenskonzept verstanden, welches sich auf die individuellen Kunden ausrichtet und die Unternehmensprozesse ausgehend von Philosophie, Vision und Mission noch einmal grundlegend neu ordnet. Die Unternehmenskultur, die dem St. Galler Managementkonzept zufolge Teil des normativen Rahmens des Unternehmens ist, muss dementsprechend ganzheitlich auf den Kunden ausgerichtet sein. Unternehmenskultur ist weiter das angepasste Verhalten einer Gruppe an interne und externe Faktoren, wodurch sich diese Gruppe grundlegend von anderen unterscheidet und wo innerhalb dessen bestimmte Normen, Werte und Verhaltensmuster bestimmt und eingehalten werden.

Customer Centricity im E-Commerce

Betrachtet man die Wertschöpfungskette des E-Commerce, so wird deutlich, dass sich diese von der klassischen Wertschöpfungskette  unterscheidet: 

Innerhalb des E-Commerce bildet das Daten- und Informationsmanagement die Grundlage des virtuellen Wertschöpfungsprozesses. Informationen gelten als zentraler Wettbewerbsfaktor des E-Commerce. Sie werden in einem stetig steigenden Tempo erfasst, verarbeitet und genutzt.

Als weitere, elementare  Besonderheit des E-Commerce kann die Distanz des Kunden zum Produkt gesehen werden. Als Teil des Distanzhandels besteht im E-Commerce kein physischer Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen. Der Kunde kann sich die Ware nicht vorher anschauen, sondern kann sich nur den bereit gestellten Informationen wie Beschreibungstexte, Bilder, Bewertungen und Preisvergleiche, um das Produkt besser einschätzen zu können, bedienen.

Umso wichtiger ist es also, dass das Unternehmen sich auf den Kunden ausrichtet. Deshalb ist Customer Centricity auch Bestandteil des E-Commerce-Code-Modells, welches die vier zentralen Erfolgsfaktoren, die sich mit der Zeit repräsentativ für Unternehmen des E-Commerce entwickelt haben, vereint.

Neben Customer Centricity gelten als die vier wichtigsten Erfolgsfaktoren “digitale Innovationen”, “Skaleneffekte” und “Data Driven Marketing”. Diese Erfolgsfaktoren wurden aus den Wettbewerbsstrategien führender E-Commerce Unternehmen abgeleitet.

Umsetzung von Customer Centricity

Um Customer Centricity ganzheitlich in ein E-Commerce Unternehmen zu implementieren bedarf es Anpassungen auf normativer, strategischer, sowie operativer Ebene. Diese umfassen die Bereiche Struktur, Systeme und Kultur.  Dabei muss die Unternehmensstruktur neu geordnet werden, die Systeme wie IT-Infrastruktur und Informations- und Kommunikationssysteme müssen auf die kundenzentrierte Unternehmensführung ausgerichtet werden und schlussendlich ist die kundenorientierte Kultur als operativ handelnde und denkende Einheit elementar für den Erfolg der kundenorientierten Unternehmensführung.

Umsetzung auf normativer Ebene

Zu der normativen Planung gehört die Entwicklung eines Leitbildes, dabei gibt es zwei Möglichkeiten ein Leitbild zu erstellen, entweder man verfolgt das “top down” oder “bottom up” Verfahren. Beim “top down” Verfahren wird das Leitbild von den Führungskräften erstellt und verkündet.

Der “top down” Prozess ist zwar kostengünstig und mit geringem Aufwand durchführbar, kann sich aber nachteilig auf die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Leitbild auswirken. Bei dem “bottom up” Verfahren hingegen werden nicht nur die Mitarbeiter in den Führungspositionen in den Prozess der Erstellung eines Leitbilds miteinbezogen, sondern auch Mitarbeiter aus anderen Ebenen und Bereichen des Unternehmen.

Sowohl der “top down” Ansatz, als auch der “buttom up” Ansatz müssen für die Implementierung von Customer Centricity umgesetzt werden. Der „top down“ Ansatz soll bewirken, dass die Management Ebene des Unternehmens den Kunden als zentrale Größe des Unternehmenserfolges wahrnimmt und diesen Ansatz in die Mitarbeiterführung mit aufnimmt. Umgekehrt soll der „buttom up“ Ansatz das Mitarbeiterdenken von Grund auf beeinflussen.

Umsetzung auf strategischer Ebene

Um die Strategie umzusetzen kann die „Balanced Scorecard“ verwendet werden. Mithilfe des Managementinstruments werden die kritischen Erfolgsfaktoren innerhalb festgelegter Perspektiven definiert. Dabei beginnt die Balanced Scorecard bei der Vision, Mission und Strategie und daraus werden dann die Ziele der einzelnen Perspektiven: Finanzperspektive, Kundenperspektive, Prozessperspektive und Lern- und Innovationsperspektive abgeleitet. Nachdem die Ziele formuliert wurden, werden daraus Kennzahlen gebildet, die jeweilige Zielerreichungsgrade messen können und Auskunft über den aktuellen oder zukünftigen Erfolg geben können.

Umsetzung auf operativer Ebene

Um Customer Centricity operativ umzusetzen müssen die Bedürfnisse der Kunden identifiziert werden, dafür werden alle über den Kunden bekannten Informationen gesammelt, verarbeitet und nutzbar gemacht.

Dieser Prozess der umfassenden Informationssammlung wird auch die 360-Grad-Sicht genannt: Zielsetzung ist es alle Kontakte des Kunden mit dem Unternehmen aufzuzeichnen und so zu verarbeiten, dass eine Rundum-Sicht auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden möglich ist. Dabei werden Daten aus verschiedenen Systemen verknüpft, um die 360 Grad Sicht auf den Kunden zu ermöglichen. Somit ist es wichtig, dass das Unternehmen in der Lage ist die angefallenen Daten in einen sinnvollen und handlungsfähigen Zusammenhang zu bringen.

Außerdem sollte Heinemann zufolge dem Kunden stetig die Möglichkeit gegeben werden das Unternehmen aktiv zu kontaktieren. Kunden können auf verschiedene Arten ihre Meinung äußern, Unternehmen müssen hingegen wissen diese zu interpretieren. Unternehmen können die Meinung des Kunden bezüglich Servicequalität, Produktqualität oder Kauferlebnis als Vorteil nutzen, in dem sie das Feedback auswerten, um die Produkte oder Services zu verbessern oder es für potentielle Kunden bereitstellen, um das Unternehmen oder das Produkt besser einschätzen zu können.

Weitere Maßnahmen können im Phasenmodell des Kundenlebenszyklus betrachtet werden und eingeordnet werden (siehe Abbildung).

cc-customer-life-cycle

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Customer Centricity in E-Commerce Unternehmen durch eine Implementierung der Ideen in das Leitbild umsetzen lässt. Dabei die Implementierung stringent innerhalb des Unternehmens, also in der Führung und und vor allem innerhalb der Mitarbeiter durchgeführt werden, da die Ausrichtung sonst in der Idee stehen bleibt.

Change-Prozesse stelle eine große Herausforderung dar, denn diese Veränderungsprozesse können zu einer Unsicherheit aber auch für einen Zusammenhalt der Mitarbeiter sorgen, da der Prozess von der Unternehmensleitung, mit den Führungskräften und mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet wird.

Als Hauptziel für Customer Centricity gilt es den Kauf als positives Erlebnis für den Kunden zu gestalten und auch die Kundenzentrierung als Alleinstellungsmerkmal  im Vergleich zu anderen Unternehmen für sich zu nutzen. Die Kundenzufriedenheit sollte gesteigert werden und somit das Vertrauen der Kunden gegenüber dem Unternehmen stärken. Loyale Kunden empfehlen das Unternehmen häufiger weiter und haben eine höhere Zahlungsbereitschaft. Das Unternehmen sollte den Kunden als den wichtigsten Mitarbeiter sehen, der gleichzeitig Produktentwicklung und Qualitätsmanagement ist.

Die Beziehung zu dem Kunden beeinflusst den Erfolg des Unternehmens direkt über den ökonomischen Ertrag und indirekt über die bessere Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch eine gesteigerte Wiederkaufsrate, eine niedrigere Retourenquote, eine niedrigere Preissensibilität, eine hohe Empfehlungsquote und eine hohe Cross-Buying-Wahrscheinlichkeit.

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Diese Ausarbeitung entstand im Rahmen des Seminars „E-Commerce“ und ist eine Gemeinschaftsarbeit von Nicole Bacmaga und Bianca Schütz.

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