Personalisierte Preise im E-Commerce – eine empirische Untersuchung

Vermutlich hat schon jeder eine dieser Vermutungen beim Online-Shopping gehört:

  •  „Kauf das bloß nicht über das IPhone, dann ist es teurer.“  
  • „Willst du es nicht doch lieber über den Laptop kaufen?“
  • „Hast du deine schon deine Cookies gelöscht?“ 

Durch die fortschreitende Digitalisierung und die häufige Verbreitung mobiler Endgeräte, über alle Bevölkerungsschichten hinweg, gewinnt insbesondere im Online-Handel eine gezielte und individuelle Ansprache der Konsumenten an immer größerer Bedeutung. Content Personalisierung sind im E-Commerce keine Seltenheit mehr. Daraus lässt sich schließen, dass auch der Bereich der individuellen Preisdifferenzierung von immer größerer Bedeutung wird. Gegenwärtig werden Fragen im Zusammenhang mit individueller Preisgestaltung im E-Commerce in der Konsumentenpolitik breit diskutiert, denn eine eindeutige Ermittlung der personalisierten Preisdifferenzierung sowie der dafür genutzten Kriterien sind bisher nur schwierig zu belegen (Reisch, et. al., 2016, S. 2 f.). Laut dem Bundesamt für Justiz wird es einen erhöhten Einsatz personalisierter Preise geben in naher Zukunft geben, einen empirischen Beweis gibt es hierfür jedoch nicht.  (Bundesamt für Justiz, 2019). 

Was kann unter individueller Preisdifferenzierung verstanden werden?
Ziel individueller Preisdifferenzierung ist es, durch unterschiedliche Preise für ein und dieselbe Leistung eine individuelle Preisbereitschaft der einzelnen Kunden abzuschöpfen. Allgemein kann die Thematik der Preisdifferenzierung in drei Arten eingeteilt werden. 

Man spricht von einer Preisdifferenzierung dritten Grades, wenn der Konsument selbst keinen beziehungsweise einen bedingten Einfluss auf die Kriterien in ein bestimmtes Kundensegment hat. Dies können beispielsweise geographische und ortsbezogene Merkmale sein (Simon & Fassnacht, 2016). Darüber hinaus liegt eine Preisdifferenzierung zweites Grades vor, werden Kunden in unterschiedliche Kundensegmente eingeteilt. Jedem Segment wird ein individueller Maximalpreis zugeordnet. Ein Konsument kann sich hier selbstständig einem Segment zuordnen, dies kann beispielsweise die bewusste Entscheidung für einen bestimmten Online-Shop sein (Roth, 2006, S. 40). Personalisierte Preise lassen sich der Preisdifferenzierung ersten Grades zuordnen und stehen meist in Abhängigkeit der jeweils individuellen Zahlungsbereitschaft der Konsumenten (Schleusener, 2017). 

Grundsätzlich sind die Effekte der dynamischen und individueller Presdifferenzierung voneinander zu trennen. Denn von dynamischer Preisanpassung wird nur gesprochen, wenn sich Preise wettbewerbsorientiert an unterschiedlichen Tages- und Uhrzeiten verändern. So bekommen Konsumenten, die sich ein Produkt zur selben Zeit anschauen den gleichen Preis angezeigt (Zander-Hayat, Reisch, & Steffen, 2016). 

Wie kann eine Systematik personalisierter Preise identifiziert werden? 
Durch die quantitative Datenerhebung mittels Online-Umfrage konnten auf schnellem Wege eine Vielzahl an quantitativen Preisinformationen zur Prüfung erhoben werden. Hierfür wurden die Preise der 10 umsatzstärksten deutschen E-Commerce Unternehmen im Bereich Retail untersucht. Von jedem Unternehmen wurden 3 Produkte aus der Kategorie „Bestseller“ ausgewählt und in die Preisabfrage der Online-Umfrage mit aufgenommen. Weiterhin wurden soziodemographische Merkmale (Alter, Geschlecht) persönliche Interessengruppen, wie Technik, Unterhaltung, oder Fashion abgefragt. Um eine mögliche Systematik individueller Preisdifferenzierung erkennen zu können werden im Rahmen dieser Umfrage zusätzlich technische Variablen des Browser-Fingerprints (Endgerät, Browser, Version IP-Adresse, Proxy Server) abgefragt. Diese wurden mittels UTM Parameter automatisiert in der Online-Umfrage erhoben. 

Im Vorfeld der Online-Umfrage galt es unterschiedliche Herausforderungen in Bezug auf weitere relevante Daten, die eine mögliche Zahlungsbereitschaft des Konsumenten beeinflussen könnten, zu betrachten. 

Diese sind:

  • Löschung des Caches und Einsatz von Cookies 
  • Erhebung der bisherigen Surf- und Kaufhistorie
  • Individuelle Datenschutzeinstellungen 
  • Benutzung verknüpfter Konten
  • Mehrfachbenutzung eines Endgerätes von mehreren Nutzern

Die oben genannten Daten sind von hoher Relevanz und können ebenfalls auf individualisierte Preisdifferenzierung Einfluss nehmen. Jedoch können diese im Rahmen dieser anonymen Online-Umfrage nicht automatisiert erhoben werden.  Die Online-Umfrage wurde per Schneeballverfahren gestreut. Insgesamt haben 202 Teilnehmer an dieser teilgenommen. Anhand dieser Daten konnte eine Datenanalyse hinsichtlich der Forschungsfrage durchgeführt werden. 

Wie wurden die erhobenen Daten untersucht und analysiert? 
Zunächst wurden alle erhobenen Daten bereinigt und mithilfe einer Excel-Datei aufbereitet, sodass diese im Weiteren analysiert und hinsichtlich der 6 Variablen, Endgerät, Browser, Standort, Geschlecht, Alter sowie persönliches Interesse auf Preisdifferenzen je Produkt schematisch geprüft werden konnten. Produkte, die einen einheitlichen Preis aufweisen, werden aus der Prüfung herausgenommen. 

Welche Ergebnisse konnten nach der Analyse erhoben werden?
Während der Analyse konnte festgestellt werden, dass es vereinzelt sehr viele unterschiedliche Preise pro Produkt gab, diese allerdings häufig dem Effekt dynamischer Preisdifferenzierung zuzuordnen sind.  Um einige Beispiele zu nennen werden in den folgenden Produkten erläutert, bei denen es deutliche Unterschiede gab. 

Bei der Amazon.de Casio Uhr konnten insgesamt 13 unterschiedliche Preise identifiziert werden. Zudem wurde eine Systematik hinsichtlich Tags und Uhrzeit erkannt. Da die Vielzahl der unterschiedlichen Preise zu immer ähnlichen Zeitfenstern ermittelt wurden, lassen sich diese Preisunterschiede eher der dynamischen Presdifferenzierung zuordnen. Außerdem konnte keine Systematik hinsichtlich der genannten Variablen erkannt werden. 

Diagramm: Preisabfrage der Casio Armbanduhr

Ein weiteres, sehr auffälliges Produkt, sind die Otto.de AirPods. Auch hier konnte eine Vielzahl an unterschiedlichen Preisen erhoben werden. Zudem konnte anhand der Analyse festgestellt werden, dass es eine generelle Preissenkung zwischen 12:00 – 13:00 gibt. Bei diesem Produkt wurde eine mögliche Systematik hinsichtlich des Endgeräts und des Standorts geprüft. Diese konnte jedoch nicht bestätigt werden, da es sich auch hier um eine eher dynamische Preisänderung handeln muss. 

Außerdem war die Otto.de Waschmaschine Teil der Datenerhebung. Hier konnten 4 unterschiedliche Preise ermittelt werden, bei denen keine Systematik der dynamischen Preisdifferenzierung identifiziert werden konnte. Bei den identifizierten Preiserhöhungen konnten Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Variablen Endgerät und Browser erkannt werden, denn diese Konsumenten führten die Umfrage mit einem IPhone und dem Browser Safari durch. Dies lässt eine Systematik hinsichtlich der Variable Endgerät und Browser vermuten, dass Preise durch ein Endgerät IPhone teurer werden. Aufgrund eines geringeren Datensatzes kann diese jedoch nicht ausreichend bewiesen werden. 

Zusätzlich dazu wurde der Notebooksbilliger.de Samsung Bildschirm untersucht. Auch hier lässt sich eine Systematik hinsichtlich des Endgeräts und des Browsers vermuten. Insgesamt wurde das Produkt für 1/3 der Nutzer um 0,90 Euro günstiger angezeigt. Alle betroffenen Nutzer verbindet die Gemeinsamkeit des Endgeräts der Firma Apple und die Verwendung des Browsers Safari. Im Vergleich zum Produkt Waschmaschine würde sich hier allerdings die Schlussfolgerung ziehen lassen, dass Produkte für Apple Geräte günstiger angezeigt werden.

Auszug: Produktübersicht der ausgewerteten Produkte

In den Ergebnissen zeigte sich, dass der Großteil der betrachteten Unternehmen aktuell keine personalisierten Preise in Bezug auf die untersuchten Kriterien nutzt. Der empirische Nachweis individualisierter Preise ist bisher vorwiegend punktuelle und lässt keine systemische Evidenz der personalisierten Preisdifferenzierung erkennen. Dennoch konnte das Vorhandensein individualisierter Preise in Bezug auf den Einfluss der Kriterien Endgerät, Browser, Alter sowie persönliches Interesse vereinzelt festgestellt werden. Jedoch erschwert die Verzahnung weiterer möglicher Einflussfaktoren, wie Surfverhalten und Zahlungsbereitschaft die Bestimmung der Personalisierungseffekte.

Literaturverzeichnis

Bundesamt für Justiz. (2019). Vergabe eines Forschungsvorhaben zum Thema „Empirie zu personalisierten Preisen im E-Commerce“. 5. Bonn.

Dr. Dautzenberg, K., Gaßmann, C., Groß, B., Müller, F., Neukamp, D., & Bodenstein, U. (08 2018). DYNAMISCHE PREISDIFFERENZIERUNG IM DEUTSCHEN ONLINE-HANDEL. (V. B. e.V, Hrsg.) 14473 Potsdam, Brandenburg, Deutschland.

Roth, S. (2006). Preismanagement für Leistungsbünde. Wiesbaden: Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Schleusener, M. (2017). Personalisierte Preis im Handel – Chancen und Herausforderungen. In E. &. Stüber, Personalisierte Preise im Handel (S. 72-88). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Simon, H., & Fassnacht, M. (2016). Preismanagement. Wiesbaden: Springer Fachmedien .

Zander-Hayat, H., Reisch, L. A., & Steffen, C. (2016). Verbraucher und Recht,. Kopenhagen: Copenhagen Business School.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert