DiGA – Geschäftsmodell der Zukunft?

Die Covid-19 Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist und vor welch großen Herausforderungen Deutschland in diesem Kontext steht. Darüber hinaus muss das Gesundheitswesen auf andere zukünftige Probleme wie den Fachkräftemangel, insbesondere den Ärztemängel in strukturschwachen Regionen und eine älter und versorgungsbedürftiger werdende Generation vorbereitet
werden. Diese Herausforderungen zeigen deutlich, dass neue, zukunftweisende Ansätze gefragt sind. Hier bietet die Digitalisierung Potentiale.
Der deutsche Gesetzgeber arbeitet aus diesem Grund an einer Telemedizinischen Infrastruktur. Ein Teil dieser Struktur sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Diese „Apps auf Rezept“ sollen chronisch Erkrankten durch Therapieansätze für Zuhause unterstützen.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Seit Anfang Juni 2020 ist es in Deutschland möglich, einen Antrag auf Zulassung einer DiGA zu stellen. Bis heute (Stand 13.11.2021) sind 104 Anträge beim zuständigen Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingegangen, von denen 24 in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden. Die Zulassung und damit die Aufnahme in das sogenannte DiGA-Verzeichnis ermöglicht es Ärzten und Psychotherapeuten den ca. 73 Mio. gesetzlich Versicherten DiGAs zu verschreiben, die dann von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.

DEFINITION DIGITALE GESUNDHEISTANWENDUNG

Bei einer DiGA handelt es sich um ein Medizinprodukt niedriger Risikoklasse
mit gesundheitsbezogener Zweckbestimmung. Die Hauptfunktion des Produktes muss auf digitalen Technologien beruhen. Sie kann nur dann verordnet werden, wenn die Diagnose des Versicherten genau dem Anwendungsfeld der DiGA entspricht. Wird die DiGA verordnet kann sie bei der Krankenkasse eingereicht werden, um (Abbildung 1) dann mit einem Freischaltcode aktiviert zu werden.

Abbildung 1: Verordnung einer DiGA

ZULASSUNGSPROZESS EINER DIGA

Um vom BfArM als DiGA zugelassen zu werden, muss der Hersteller klare Anforderungen erfüllen. Er muss die Sicherheit und Funktionstauglichkeit nachweisen, Datenschutz und Informationssicherheit sowie Qualität sind zu belegen. Zudem muss ein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden. Dieser kann entweder ein medizinischer Nutzen oder eine patientenrelevante
Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung sein. Dabei muss es
immer um eine direkte Verbesserung für den Patienten handeln. Als medizinische Nutzen gilt zum Beispiel eine Verbesserung des Gesundheitszustandes,
als Strukturverbessrung eine Erleichterung des Zugangs zur Versorgung. Der
Hersteller entscheidet bei der Einreichung des Antrages, ob es sich um eine vorläufige oder dauerhafte Aufnahme in das Verzeichnis handeln soll. Von einer
vorläufigen Aufnahme wird gesprochen, wenn der Hersteller zum Zeitpunkt des
Antrages noch keinen wissenschaftlichen Nachweis für den positiven Versorgungseffekt vorlegen kann. Die DiGA kann für bis zu zwölf Monate (nach Ermessen des BfArM) auf Probe in das Verzeichnis aufgenommen werden, wenn
der Hersteller durch eine begonnene Studie nachweisen kann, dass sich mutmaßlich ein positiver Versorgungseffekt ergeben wird. Die Fristen des BfArM
und die möglichen Entscheidungen sind in Abbildung 2 abgebildet.

Abbildung 2: Zulassung von DiGA

Der Preis für eine DiGA kann für das erste Jahr vom Hersteller festgelegt und
im Zulassungsantrag angeben werden. Die GKV erstattet den Peis für die DiGA
unabhängig davon, ob es sich um eine vorläufige oder dauerhafte Aufnahme in
das DiGA-Verzeichnis handelt. Zwölf Monate nach der (vorläufigen oder dauerhaften) Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis wird die endgültige Vergütung der
DiGA zwischen Vertretern der Krankenkassen und dem Hersteller verhandelt.

CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN

DIGAs ermöglichen eine Entkopplung der Therapie des Patienten von Raum
und Zeit der Behandlung. So können Patienten unabhängig von ihrem Wohnort
oder bei eingeschränkter Verfügbarkeit des Therapeuten dennoch Therapiemaßnahmen durchführen (Albrecht, 2018, S. 418). Auch lernt der Patient die
Einzelschritte in der Behandlung selbständig besser kennen und kann leichter
einen Zugang zu diesen entwickeln. Auch für das Gesundheitssystem bietet
das Geschäftsmodell Chancen. Eine kürzlich veröffentlichte McKinsey Studie verdeutlicht, dass rund zwei Milliarden Euro Einsparung durch DiGAs gemäß dem DVG realistisch sind.
Vor Herausforderungen stehen die DiGA-Hersteller bezüglich der Bereitschaft
von Ärzten DiGAs zu verschreiben. Bei einer Umfrage unter 546 ambulant tätigen Ärzten und Psychotherapeuten der Uni Heidelberg aus Oktober 2020 haben fast ein Viertel der Befragten noch nicht von einer DiGA gehört. Hinzu kommen Bedenken der Ärzte und Psychotherapeuten, eine Anwendung zu verschreiben deren medizinischen Nutzen noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Schließlich wird der Mehraufwand, der mutmaßlich mit einer Verschreibung von DiGAs einhergeht, gescheut.

DAS DiGA-VERZEICHNIS

Zum aktuellen Zeitpunkt (Stand 13.11.2021) beinhaltet das DiGA-Verzeichnis
24 DiGAs(BfArM, 2021e). Davon sind sechs Anwendungen dauerhaft in das
Verzeichnis aufgenommen, die übrigen 18 warten auf die finale Aufnahme und
gelten somit als vorläufig aufgenommene DiGAs.
In der Tabelle 1 werden stellvertretend die DiGAs aufgelistet, deren Geschäftsmodelle analysiert werden. Diese sollen einen Eindruck vermitteln, für welche
Anwendungsfelder DiGAs eingesetzt werden und in welchen Kategorien es bereits mehrere Hersteller gibt

Tabelle 1: Darstellung zugelassener DiGAs

GESCHÄFTSMODELL

Das neu entstandene Geschäftsmodell DiGA wurde mit Hilfe des Business Model Canvas von Alexander Osterwalder (Quelle) analysiert. Es wurden die
sechs dauerhaft aufgenommenen DiGAs analysiert, da diese bereits das Geschäftsmodell erfolgreich umgesetzt haben. Zusätzlich wurden zwei vorläufig
aufgenommene DiGAs mit einbezogen, da diese durch weitere Funktionen andere Aspekte mit in die Analyse einbringen. Für die acht analysierten DiGAs
werden Ergebnisse in der Abbildung dargestellt.

Abbildung 3: Business Model Canvas

FAZIT

Der aufwendige Zulassungsprozess ist auf der einen Seite von großer Bedeutung, da es sich hier um ein Medizinprodukt handelt, dem kranke Menschen
vertrauen. Auf der anderen Seite entstehen für den Hersteller durch das anspruchsvolle Verfahren hohe Kosten und damit erhebliche Investitionsrisiken,
ohne dass die Sicherheit besteht, eine Refinanzierung zu erhalten. Es besteht
keine Garantie dafür, dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen und sich
der relevante Patientenmarkt erschließen lässt. DiGAs sind ein noch sehr junges Geschäftsmodell und entsprechend klein ist die Anzahl bisher zugelassener Hersteller. Es sollte daher beobachtet werden, ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, für die DiGAs attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, die weitere Hersteller zu einem Markteintritt veranlassen. Der Markteintritt weiterer Hersteller würde den bisher kaum vorhandenen Wettbewerb unter den Herstellern verstärken und damit letztlich den Patienten sowie dem medizinischen Fachpersonal durch eine verbesserte und umfassendere Versorgung zugutekommen. Dabei sollten auch die Bedenken des medizinischen Fachpersonals und der Krankenkassen bezüglich des Patientennutzen und der Kosteneffizienz berücksichtigt werden. Sollten sich dieses bewahrheiten sollten Zulassungsprozess und Preissetzung ggfs. angepasst werden.

QUELLEN

BfArM. (2021a). Fast Track Verfahren. Verfügbar unter: https://www.google.com/search?q=fast+track+verfahren+bfarm&oq=fasttrack+verfahren+bf&aqs=chrome.1.69i57j0i22i30.6483j0j7&sourceid=chrome&ie=UTF-8 (Zugriff
am 7.11.2021)
BfArM. (2021b). DiGA-Verzeichnis. Verfügbar unter: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis?medicalService=%5B%22none%22%5D (Zugriff am 12.11.2021)
Broenneke, Jan B., Debatin, Jörg F., Hagen, Julia, Kircher, Philipp, Matthies,
Hendrik (2021)
. DiGA VADEMECUM Was man zu Digitalen Gesundheitsanwendungen wissen muss. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Friesendorf, Cordelia & Lüttschwager, Sabrina (2021). Digitale Gesundheitsanwendungen: Assessment der Ärzteschaft zu Apps auf Rezept (essentials). Wiesbaden
McKinsey & Company (2020). App auf Rezept – Wie das Digitale-Versorgung-Gesetz
den Markt für Gesundheits-Apps revolutioniert. Verfügbar unter:
https://www.mckinsey.de/publikationen/2020-03-27-app-auf-rezept (Zugriff am
19.11.2021)
Obermann, Konrad (2021). Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2021. Die ärztliche
Zweitmeinung in der Praxis. Verfügbar unter: https://www.stiftung-gesundheit.de/studien/aerzte-im-zukunftsmarkt-gesundheit/. (Zugriff am 6.12.2021) Unsplash: https://unsplash.com/photos/NFvdKIhxYlU (Zugriff am 6.12.2021)

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